Brief an Minister Andreas Stoch

Veröffentlicht am 27.01.2015 in Ortsverein

Sehr geehrter Herr Minister,
lieber Andreas,


wir wenden uns heute an Sie, weil ein wichtige Entscheidung ansteht. Diese betrifft unsere Gemeinde in großem Umfang und für einen weitreichenden Zeitraum. Es geht darum, ob unsere Gemeinde die Genehmigung für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule erhält. Diese Entscheidung soll, am 2. Februar bei einer Pressekonferenz in Stuttgart bekannt gegeben werden, zusammen mit der Entscheidung über weitere Anträge auf Einrichtung von Gemeinschaftsschulen.

Der Bürgermeister der Gemeinde Igersheim, Frank Menikheim, hat sich bereits schriftlich an Sie gewandt. Die Grundlagen des Igersheimer Antrages setzen wir als bekannt voraus, wir gehen deshalb nicht nochmals auf die dort und im Schreiben unseres Bürgermeisters genannten Punkte ein.

Allerdings möchten wir unsere Sicht der Dinge darlegen – auch die halten wir für wichtig im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung und einer entsprechenden Würdigung der Igersheimer Argumente pro Gemeinschaftsschule.

In unserer Gemeinde stehen nicht nur die Verantwortlichen der Johann Adam Möhler-Schule sowie die Elternvertreter und Schüler einmütig hinter der Forderung nach Einrichtung einer Gemeinschaftsschule, sondern auch der Gemeinderat. Das ist, bei allen Unterschieden in der Zusammensetzung des Gremiums, durchaus bemerkenswert und zeigt, dass die Sorge um die Zukunft des Bildungsstandorts über alle Parteigrenzen hinweg den Gemeinderat, die Verwaltung sowie Schule, Eltern und Schüler eint. Auch dies ist nicht selbstverständlich.

Für uns als SPD-Ortsverein, die wir hier in der „Diaspora“ ohnehin einen beständigen Kampf führen müssen, hat das Thema Gemeinschaftsschule darüber hinaus eine noch größere Bedeutung. Zum einen zeigt es, dass unsere Partei nach wie vor beim Thema Bildung voran geht und mit neuen Konzepten Antworten auf die Fragen der Zeit gibt. Zum anderen ist es, gerade bei uns im „schwarzen“ ländlichen Raum Baden-Württembergs, eine besondere Situation, dass Bürgermeister und Gemeinderäte einmütig eine Idee sozialdemokratischer Bildungspolitik aufnehmen und die Chancen für ihre Gemeinde erkennen. SPD-Inhalte haben im Main-Tauber-Kreis nicht unbedingt „Strahlkraft“ auf die Masse der CDU-Bürgermeister und CDU-dominierten Gemeinderäte. Auch die hier traditionell starken „Freien Wähler“ tendieren ja eher in die Richtung der CDU. Aus diesem Blickwinkel wird ersichtlich, welche Auswirkungen sozialdemokratisch geprägte und geführte Bildungspolitik auf das mittel- und langfristige Wählerverhalten haben kann, weil ganz allgemein die Sicht der Bürger auf die SPD positiv beeinflusst wird. Bildungspolitik geht schließlich alle etwas an, da sie zumindest die Kinder- und Eltern-Generationen betrifft.

Mit Steffen Hertwig hat es der Igersheimer SPD-Ortsverein geschafft, nach knapp zehnjähriger Abstinenz wieder im Gemeinderat vertreten zu sein. Damit wurde auch die Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit des SPD-Ortsvereins gelegt. Wir sind hier also auf zwei Baustellen gefordert. Eine positive Entscheidung in Sachen Gemeinschaftsschule kann uns daher mehr als nur kurzfristigen Rückenwind geben.

Darüber hinaus ist eine solche Genehmigung aber auch eine unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung unseres Schulstandortes. Unsere Gemeinde zählt aktuell rund 5600 Einwohner, und wir sind eine aufstrebende und vor allem innovative Gemeinde. Klar ist: Kommt die Gemeinschaftsschule (wieder) nicht, sind nicht nur viele engagierte Mitbürgerinnen und Mitbürger enttäuscht, sondern man nimmt uns auch die Chance, uns weiter zu entwickeln. Dabei nehmen wir keinem unsere Nachbarn – ob Weikersheim oder Bad Mergentheim – etwas weg. Weikersheim hat bereits eine Gemeinschaftsschule, und der Bad Mergentheimer Gemeinderat hat sich klar gegen diese Schulform ausgesprochen – hier kämpft die CDU auf letztendlich verlorenem Posten ihre eigene Reconquista gegen Grün-Rot, hat aber nach wie vor nicht verstanden, dass die Gemeinschaftsschule anderenorts – und nicht nur in Igersheim – auch von CDU-Bürgermeistern und Fraktionen begrüßt wird.

Zurück zu Igersheim: Wir brauchen die Gemeinschaftsschule, denn nur mit diesem Angebot erhalten wir unseren Schulstandort. Eine Gemeinde unserer Größe mit einem wirtschaftlichen Rückgrat, wie wir es hier beispielsweise mit der Wittenstein AG haben, ist auf eine Schule angewiesen, die langfristig sicher ist und einen Abschluss bietet, der über das Hauptschulniveau hinausgeht. Zudem gibt es bereits eine gut funktionierende Kooperation mit der Wittenstein AG, die sich in der Gemeinde vielfach engagiert, etwa mit der an die offene Jugendarbeit angeschlossenen „technischen Werkstatt“ oder auch auf kulturellem Gebiet wie beispielsweise dem Igersheimer Jugendtheater und dem Projekt „Junge Kunst“.

Es spricht nichts dagegen, den heute vielfach verlangten Mittleren Bildungsabschluss an unserer Schule anzubieten. Und es ist allgemein bekannt, dass die Hauptschule – auch mit angeschlossener Werkrealschule – von den Eltern zunehmend weniger akzeptiert wird. Die Folge: Die Hauptschulen bluten aus. Das ist auch bei uns so, und damit haben wir mittel- und langfristig nur noch die Perspektive auf eine Grundschule. Und das ist eindeutig zu wenig für Igersheim!

Abschließend möchten wir nochmals auf den Umstand aufmerksam machen, dass Igersheim bereits zwei mal eine Ablehnung erhielt – jeweils gestützt auf angeblich fehlende Schülerzahlen. Alle anderen Kriterien wurden hingegen erfüllt. Die bisher ergangenen Entscheidungen wurden vom Verwaltungsgericht Stuttgart und vom VGH Mannheim bestätigt. Mittlerweile ist aber klar, dass wir auch das Kriterium Schülerzahlen bzw. Zweizügigkeit dauerhaft erfüllen. Einer Genehmigung des erneut gestellten Igersheimer Antrags auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule steht somit – nicht nur aus unserer Sicht – nichts mehr entgegen. Wir bitten deshalb, diesem Antrag zu entsprechen.

Die Genehmigung wäre nicht nur eine Bestätigung der hier bereits geleisteten umfangreichen Vorarbeit, sondern auch eine Anerkennung des Bemühens unserer Gemeinde, ein attraktiver Standort zu sein und zu bleiben: Zum Wohnen, Leben, Lernen und Arbeiten und mit Chancen für alle. Und das sind, wir erlauben uns diese Anmerkung, ja durchaus sozialdemokratische Inhalte.